Echnaton by Schlögl Hermann A

Echnaton by Schlögl Hermann A

Autor:Schlögl, Hermann A. [Schlögl, Hermann A.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406691386
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2016-03-19T16:00:00+00:00


Obgleich die Naturwissenschaften nicht Echnatons Anliegen waren, suchte er mit den Mitteln seiner Lehre die Prinzipien der Natur zu erkennen und erreichte dadurch eine völlig neue Denkart.

Die Veränderungen gegenüber früheren Hymnen an den Sonnengott sind auffällig: Der königliche Prophet hat die zahlreichen mythischen Vorstellungen in der Religion vollständig eliminiert und den Verlust durch Ausschmückungen mit Bildern aus der Natur gefüllt. Die Naturverbundenheit, die sich überall im Kunstschaffen der Amarnazeit äußerte, lässt uns an den berühmten Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi (1181–1226) denken. Hier wie dort steht im Mittelpunkt der Dichtung die Natur, die Gott geschaffen hat.

Der Aton-Hymnus gibt auch Aufschluss über die Stellung, die Echnaton selbst in der neuen Religion einnahm: Das Wesen des Aton enthüllte sich ausschließlich dem König, denn «kein anderer ist es, der dich kennt, als dein Sohn». War jeder ägyptische König in seiner Funktion als «Horus auf Erden» bisher göttlich gewesen, so hatte die Verehrung, die ihm zuteil wurde, immer dem Amtsträger und nie der Person gegolten; göttlich war die Funktion, nicht der Pharao. Das war jetzt anders: Der Gott Aton war entrückt, er war in die Unergründlichkeit versunken. Die Erkenntnis Gottes lag bei Echnaton, denn er war Gottessohn und der alleinige Mittler zwischen Aton und den Menschen. Der Weg zum göttlichen Licht führte ausschließlich über ihn; Echnaton allein wusste um den Willen Atons und hatte Einblick in seine Gebote und seine Gesetze. Das Christentum fasst im Evangelium des Johannes diese Überzeugung in Worte: «Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich.» (14,6). In diesem Zusammentreffen kam Echnaton eine ungeheure Machtfülle zu.

Auch die königliche Familie war in die besondere Stellung Echnatons einbezogen. Nachdem Mythen aus der neuen Religion verbannt worden waren, trat in den leeren Raum neben die Natur die Familie des Herrschers. Die Königin Nofretete, die ihrem Gemahl bis zum 10. Regierungsjahr weitere drei Töchter geschenkt hatte (Neferneferuaton-tascherit = «Der Vollkommenste ist Aton, die Jüngere», Neferneferure = «Der Vollkommenste ist Re» und Setepenre = «Von Re erwählt»), behauptete sich in Kult und Staat fast gleichberechtigt neben dem König. Sie verkörperte das weibliche Element der göttlichen Dreiheit. Da Aton, der Vater, am Himmel verankert, ein Gott der Liebe war, der sich um seine Schöpfung sorgte und sie mit Hingabe erfüllte, über sie wachend für immer und ewig, zeigen Echnaton, Nofretete und die Prinzessinnen auf zahlreichen Bildern, wie sie ihren Gläubigen die Liebe Atons vorleben und diese auf Erden sichtbar machen. Sie pflegen einen äußerst innigen Umgang miteinander, indem sie sich umarmen und zärtlich küssen. Einige Darstellungen präsentieren Echnaton sogar, wie er Nofretete und die Prinzessinnen in die Arme schließt und sie herzt, während sie auf seinem Schoß sitzen dürfen. Es sind warmherzige Gefühle, die hier so demonstrativ zur Schau gestellt werden.

Es war nur konsequent, dass die Untertanen in Achetaton ihre persönliche Andacht zu Hause vor kleinen Altären verrichteten, die mit dem Bild des Strahlenaton und der königlichen Familie als Ersatz für die verlorene Götterwelt geschmückt waren. Wohl in keinem Haus, in keiner Wohnung eines Beamten durfte



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